Donnerstag, 22. Mai 2008

Wenn Lehrer und Schüler zum Opfer blinder Schulpolitik werden....

weil lebensfremde und bürgerfeindliche Bestimmungen völlig absurdes Handeln verlangen.....

Der Fall: Irgendwo in Deutschland an einer Grundschule. Die Grundschule ist Teil eines getrennt arbeitenden "Schulkomplexes" mit einer angegliederten Sonderschule. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Sonderschule bzw. alle bestehenden Sonderschulen zu schließen. Dabei kommen ihr auch Elternwünsche zur Integration ihrer sonderschulbedürftigen Kinder in die Regelschule entgegen. Warum nicht, werden Sie sagen. Warum sollen Schüler aus der "Gemeinschaftsschule" ausgeschlossen werden....Integration ist modern und angesagt.......

Nun möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren, ob möglicherweise Sonderschullehrer besonders für Schüler mit Lernbehinderungen und Verhaltensstörungen ausgebildet sein könnten. Sonderschullehrer weisen zumindest besondere Kenntnisse in diesen Problembereichen auf....Möglich, dass jene Eltern mit ihren Integrationswünschen diesen Aspekt außer Acht lassen.....
oder der festen Überzeugung sind, dass ihr Kind schon gar nicht auf die weniger angesehene "Sonderschule" gehöre..........

In diesem Beitrag geht es um die Folgen einer Regelbeschulung für das betroffene Kind, die betroffenen Mitschüler und die betroffenen Lehrkräfte:

Es geht um ein schwer verhaltensgestörtes Mädchen, nennen wir sie Franka*. Franka's* Mutter ist geschieden und wieder verheiratet. Franka's Halbschwester Isolde* ist ein paar Wochen alt, als die Lehrerin Frau Meier* eine dritte Klasse übernimmt. Normalerweise führen Lehrkräfte in diesem Bundesland ihre Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse. Durch die Versetzung einer Kollegin, musste jene Klasse nun ab der dritten Klasse von Frau Meier* weiter geführt werden. Frau Meier* teilt sich diese Klasse mit dem Schulleiter, welcher stundenweise darin tätig ist. Frau Meier* hatte diese Klasse mitsamt jener verhaltensgestörten Schülerin vom Schulleiter anvertraut bekommen, weil sie besonders herausragende Fähigkeiten der Unterrichts- und Klassenführung besitzt. Jene Lehrerin ist knapp über 30 Jahre alt und genießt auch bei Schülereltern ein sehr hohes Ansehen.

Frau Meier* kann stolz auf ihre bisherige Unterrichtstätigkeit zurückblicken: eine Lehrerin, welche für viele die Kriterien einer idealen Lehrkraft erfüllt: hohes Einfühlungsvermögen,Sensibilität, Gesprächskompetenz, Konsequenz, Unterrichtskompetenz und Organisationstalent......

Ja, es ist nur zu verständlich, dass die Schulleitung jene Lehrkraft für diese besondere Herausforderung eingesetzt hat. Frau Meier* holt sich Rat von einer Sonderschulpädagogin, einem Psychologischen Psychotherapeuten und liest entsprechende Fachliteratur um ihrer Klasse und Franka's Bedürfnissen gerecht zu werden......

Geduldig übersteht sie die morgendlichen 5-6 Unterrichtsstunden. Sie versucht sich zu "entspannen", wenn sie in anderen Klassen unterrichten darf und versucht mit den ununterbrochenen Unterrichtsstörungen, Schrei- und Zornesanfällen und den aggressiven, manchmal gewalttätigen Ausbrüchen von Franka fertig zu werden. Es werden Verhaltensprogramme aufgesetzt.....erst wenn mehrere davon scheitern, kann sie eine Umschulung von Franka* beantragen... und auch diese dauert, denn eigentlich gibt es dafür wieder Wartezeiten...

Für Frau Meier* völlig ungewohnt, ist ihr Unterricht nun ständig durchzogen von Franka's* ununterbrochenen Störungen und aggressiven Ausbrüchen. Franka schafft es höchstens 10-15 Minuten einmal ruhig zu sitzen und eine Aufgabe zu machen. Frau Meier* lebt von Wochenende zu Wochenende. Zunehmend fällt die Schulklasse in ihren Leistungen zurück, weil auch die Schüler durch die ständigen Störungen von Franka nicht mehr aufmerksam und konzentriert dem Unterricht folgen können.

Sowohl die Sonderschulpädagogin, als auch der Psychologische Psychotherapeut sehen keine Möglichkeit, dass Frau Meier bei einer Klassengröße von 25 Schülern, Franka's Ausbrüche so beherrschen kann, dass ein störungsfreier Unterricht stattfinden kann.

Frau Meier*, eine ansonsten sehr robuste und leistungsfähige Lehrerin ist zunehmend erschöpft nach ihren Schulvormittagen. Sie kommt von der Schule und muss erst einmal 2-3 Stunden schlafen. Nachts kann sie kaum noch schlafen. Ihre Kräfte schwinden zunehmend und Frau Meier droht ernsthaft krank zu werden....

Ihr "Glück" im "Unglück" des Kindes Franka: Franka verletzt sich selbst so stark, dass sie für vier Wochen in eine psychiatrische Klinik kommt......
und Frau Meier* kann von Stund an nachts wieder bestens schlafen. Für vier Wochen genießt diese Schulklasse eine Ruhe, welche sie zuvor noch nie kennen gelernt hatte, denn Franka* ist ja seit der ersten Klasse dabei......

Nun ist meine - leider - reale Fallbeschreibung noch nicht zu Ende.....denn Franka* kommt zurück und die Schule ist verpflichtet, die Schülerin wieder in den vorherigen Klassenverband aufzunehmen. Eine Alternative gibt es nicht........Da jedoch durch den stationären Aufenthalt sich die Gesamtsituation von Franka* zuhause nicht verändert hat und die Rahmenbedingungen wieder die alten sind, hat sich weder für die Klasse, die Lehrerin und Franka etwas verändert. Auch die Gefahr, dass Franka sich jederzeit etwas antun könnte, ist noch vorhanden.....

So beginnt also dasselbe "Spiel" wieder von vorne...hmm...nein, nicht ganz: denn Frau Meier* und ihre Klasse konnte sich in den vier Wochen nicht ausreichend erholen. Frau Meier* beginnt an sich selbst und an ihren pädagogischen Fähigkeiten zunehmend zu zweifeln, auch wenn die Fachleute ihr verstärkt versichern, dass die Betreuung eines derart schwer verhaltensgestörten Kindes in einem Klassenverband von 25 Schülern auch für Professionelle, d.h. für ausgebildete Fachleute unmöglich ist...

Frau Meier* weiß, dass ihre dritte Klasse hinsichtlich ihrer schulischen Leistung deutlich hinter der Parallelklasse liegt. Sie sieht keine Möglichkeit, wie sie die Leistungsunterschiede noch ausgleichen kann. Frau Meier* muss sich völlig von ihren gewohnten, vorzeigbaren "Leistungen" als Lehrerin verabschieden.. ...

Die Eltern von Franka's* Mitschülern und Mitschülerinnen äußern ihre Unzufriedenheit, Kollegen beklagen sich über die schwierige Situation in Frau Meier's* Klasse. Frau Meier* wird zunehmend depressiv und fühlt sich zwischenzeitlich völlig hilflos der ausweglosen Situation ausgeliefert. Ein Ausweichen ist unmöglich und sie ist an ihrem Limit angekommen.....und wird krank........

Nun müssen die Schulleitung und die Kollegen versuchen...dieser Situation Herr zu werden......

FAZIT:
Eine Schulklasse, d.h. 24 Schüler und ihre Lehrer "leiden" nun fast 3 Schuljahre unter einer "zwangsintegrierten" Schülerin. Die "Stimmung" in der Klasse und bei den Kollegen ist entsprechend gedrückt. Eine angemessene Lernsituation nicht herstellbar....... Wer denkt hier nach? Wenn Vorschriften pädagogisch-psychologisches Handeln völlig unmöglich machen? Lehrerversagen oder Politikversagen?

* Namen der Personen geändert

Mittwoch, 7. Mai 2008

Hilflose Lehrer verbieten den Tausch von EM-Fußballbildern.........

Bildquelle Pixelio: (c) S. Hofschlaeger
Grundschüler im Tauschfieber veranlassen die Schulleitung zu drastischen Maßnahmen. Schulleitung und Eltern der Fellbacher Grundschule sollen sich darüber einig sein, dass ein Tauschverbot eine sinnvolle Lösung sei.
Wer sich dem Verbot widersetzt und dabei erwischt wird, muss die Panini-Sammelbilder abgeben und soll diese erst zum Ende des Schuljahres wieder zurückbekommen.

Bericht im schwarzwaelder-bote.de: Klebe-Verbot für Fellbacher Grundschüler
Bericht im Spiegel online: Schule stoppt Tausch von EM-Fußballbildern

Dieses aktuelle Beispiel verdeutlicht, dass die Lehrerausbildung offenbar nicht ausreichend auf den pädagogischen Alltag vorbereitet. Eigentlich sollte das Fach Pädagogische Psychologie zum Standard einer angemessenen Lehrerausbildung gehören. Dort hätten die Fellbacher Lehrkräfte lernen können, wie mit dem urmenschlichen Phänomen der Sammelleidenschaft angemessen umgegangen werden kann.

Diese Schule steht m.E. stellvertretend für die generelle Hilflosigkeit von Lehrkräften, wenn es um erzieherische Probleme geht, d.h. "Fellbach" ist überall in Deutschland....... Hier sind die verantwortlichen Landesregierungen und jene gefragt, welche eine sinnvolle Lehrerausbildung gewährleisten sollten......

Dass die Eltern diesen Massnahmen zustimmen ist verständlich, denn wenn schon Lehrkräfte solchen normalen - bereits über Generationen hinweg bestehenden - Sammelleidenschaften hilflos gegenüber stehen, was könnten dann pädagogisch nicht ausgebildete Eltern noch zur Lösung des Problems beitragen?

Wäre eine an der Praxis orientierte Ausbildung im Fach Pädagogische Psychologie üblich, wüssten die Lehrkräfte, wie sie das Sammelproblem sinnvoll lösen könnten:

Was ist von der gewählten "Problemlösung" zu erwarten?
Ein Großteil der Schüler wird sich daran halten. Allerdings: ihnen wurde eine Leidenschaft verboten, welche durchaus auch noch von Erwachsenen gepflegt wird. Sie müssen auf ein seit Generationen sehr beliebtes Sammel- und Tauschgeschäft verzichten. Das weckt negative Gefühle. Sie wurden um einen äußerst beliebten Freizeitspass gebracht und es ist nicht zu erwarten, dass die Schüler mit derselben Einsicht, wie ihre Lehrer und Eltern, das Verbot akzeptieren. So entsteht Widerstand, welcher sich an anderer Stelle äußern kann (Unterrichtsstörungen, Lernunlust, Arbeitsverweigerung, Streitigkeiten)

Anstatt dessen findet nun der Tausch, mit allen damit verbundenen Konflikten nach Schulschluss statt. Die daraus entstandenen Probleme tragen die Schüler, spätestens am nächsten Tag dennoch wieder in die Schule hinein....... mit dem einzigen Unterschied, dass für die entstehenden latenten Störungen die Ursache vom Schulhof verbannt worden war....

Was sagt die "graue" Theorie?

Die theoretischen Hintergründe dazu existieren seit 1966. Brehm war der erste, welche die dahinter liegende Reaktanztheorie entwickelt hat. Nachfolgende Studien konnten seine Theorie belegen und erweitern.
Reaktanztheorie: hier

Sozialverhalten fällt nicht vom Himmel, oder ist gar angeboren. Soziales Verhalten wird erlernt (Modelllernen, operante und klassische Konditionierungsvorgänge, Denken und Problemlösen).
Jene Lernmodelle sind Gegenstand der pädagogischen Psychologie und sollten ansich Gegenstand eines jeden Lehramtsstudiums sein.

Welche Handlungsalternative hätte die Schule gehabt?
Die Fallschilderung beschreibt "Ausschreitungen" und nachfolgende Störung des Unterrichts durch die Tauschaktionen. Grundschülern fehlen noch ausreichende soziale Kompetenzen, um ihre Emotionen , welche das beliebte Tauschspiel auslösen kann, vollständig unter Kontrolle zu halten.

An dieser Stelle wäre erzieherische Kompetenz und autoritatives Führungsverhalten gefragt:
Zusammen mit den Schülern könnten die aufgetretenen Probleme besprochen und dann zusammen "Regeln" für einen friedlichen Tausch aufgestellt werden. Für den Anfang würde man in der Pause eine beaufsichtigte Tauschbörse in einer Tauschecke des Schulhofes einrichten. Schüler, welche sich nicht an die Tauschregeln halten, könnten vorläufig vom Tauschgeschäft ausgeschlossen werden.

Was hätten Schüler aus einer solchen Lösung lernen können?
Das soziale Miteinander wird zunächst durch explizite Regeln erlernt. Diese werden im Laufe des Heranwachsens automatisiert. Sie werden zu "impliziten" Regeln.

Die Schüler hätten an diesem Beispiel lernen können, wie über Regeln und Nachdenken, überschäumende Emotionen kontrolliert werden können. Wenn Tauschregeln feststünden, hätten sie an diesem Beispiel erfahren können, dass Regeln das soziale Miteinander überschaubarer, vorhersagbar und leichter machen können.

FAZIT:
Die Schule hat eine Lernmöglichkeit für soziales Lernen durch ein unsinniges Verbot verstreichen lassen. Gleichzeitig gibt sie auch den Eltern ein Beispiel für erzieherische Hilflosigkeit und Inkompetenz. Eigentlich haben die Lehrkräfte nicht das Recht, sich über die angeblich zunehmende erzieherische Inkompetenz von Eltern zu beklagen, wenn sie selbst in so einfachen Situationen keine sinnvollen Alternativen aufzeigen können - trotz einer vermeintlich "pädagogischen" Ausbildung.

Besonders traurig ist, dass das Motto der Schule "Team" heißt:
Team : Täglich engagiert aktiv miteinander
Die gefundene Lösung ist jedenfalls sehr weit weg davon. Es sei denn mit "Team" sei ein "zusammen" mit den Eltern "gegen" die Kinder gemeint...... und wo hier das engagierte aktive miteinander stattfindet? ...wer weiß?

Weiterführende Links zum Thema:

Phasen der Gruppenentwicklung
Falls es nicht gelingt, Gruppen von der Wichtigkeit erwünschter Ziele zu überzeugen, können entweder spontan oder als Reaktanz-Effekt auf äußere ...
Phasen der Gruppenentwicklung

Latentes, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen
Nach F. Hansen (1972) schließlich funktioniert "mere exposure" nur bis zu einem bestimmten Grad der Reizdarbietung, danach setzen Reaktanz-Effekte durch ...
Latentes, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen

Anwendung der operanten und instrumentellen Konditionierung
Nach den Prinzipien Modelllernen, Lernen in kleinen Schritten und Verstärkungslernen soll angemessenes Lehrerverhalten systematisch eingeübt werden. ...
Anwendung der operanten und instrumentellen Konditionierung

Montag, 5. Mai 2008

Wie eine Auslese Benachteiligte benachteiligen kann......

Bildquelle Pixelio: (c) Jerzzy
und dennoch eine "Empfehlung" daraus gebastelt wird: In der "Zeit" wird mit der Überschrift "Ihr könnt das auch!" über eine Bostoner Schulinitiative berichtet, welche besonders benachteiligten, begabten Schülern eine Highschool-Karriere ermöglichen soll:

"Wie die Beacon Academy in Boston Schüler aus benachteiligten Familien fit für gute Highschools macht." lautet der Untertitel:

Bitte, ich möchte ein Jahr länger in die Schule gehen«, ist kein gängiges Mantra unter Schülern. Ganz anders aber in Boston: Gute Schüler öffentlicher Schulen in eher schwierigen Bezirken legen nach der achten Klasse ein Extrajahr ein, um fit für wirklich leistungsstarke Oberschulen zu werden. Keine Ehrenrunde also, sondern eine 14-monatige Herausforderung. Die Beacon Academy in Boston wurde vor drei Jahren gegründet von Menschen, die begabten Kindern aus schlechten Vierteln – meist Angehörigen einer Minderheit – die Chance geben wollten, mehr aus ihrem Leben zu machen.
So hoffnungsfroh wie in der anfänglichen Schilderung, geht die Geschichte leider nicht weiter.

Der Hasenfuss:(Zitat weiter aus: Ihr könnt das auch!):
Um überhaupt einen der 20 Plätze der Academy zu ergattern, müssen die 13- und 14-jährigen Schüler eine 16 Seiten lange Bewerbung einschicken, sie brauchen erstklassige Zensuren (selbst wenn die aus drittklassigen Schulen stammen) und Empfehlungen von Lehrern und anderen Erwachsenen. Die Schüler müssen Ehrgeiz mitbringen, sie brauchen mindestens einen Erwachsenen, der sie bei ihrem Bildungsvorhaben vorbehaltlos unterstützt, und sie müssen bereit sein, in den 14 Monaten härter zu arbeiten als je zuvor – damit sie in den leistungsstarken Highschools, in die sie streben, nicht gleich wieder aussortiert werden.
Der Haken an der Geschichte ist also, dass nur solche Schüler gefördert werden, welche bereits durch ausgezeichnete Schulleistungen aufgefallen sind. Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ich meine ja, denn die Benachteiligung beginnt ja sehr viel früher. Oft fehlt die Förderung im Elternhaus, weswegen bereits in der Vorschulzeit Defizite auch bei gut begabten Kindern entstehen. Und in der Grundschulzeit verlieren gerade gut begabte Kinder - aus Langeweile oder wegen unzureichender Förderung - das Interesse und die Freude am schulischen Lernen.

FAZIT: Das Bostoner Modell trifft eine Auslese aus der Gruppe der Benachteiligten und ist daher m. E. nicht unbedingt ein Modell, welches auf unser Bildungswesen übertragen werden sollte. Viel besser wäre, das Augenmerk frühzeitig auf die gesamte Gruppe der benachteiligten Kinder zu richten.

Siehe auch meine Beiträge zu den Themen Intelligenz und Hochbegabung:

Hochbegabung aus neurowissenschaftlicher Sicht:
Hirnforschung und das Konzept der Hochbegabung - Drei Hirnforscher und zwei "Ansichten"

Hochbegabung aus pädagogisch-psychologischer Sicht:
Was ist Hochbegabung? Hochbegabung ist das, was Wissenschaftler definieren....

Meinungen braucht man nicht zu begründen....oder doch?

Bildquelle Pixelio:(c) Winternitz
Mit dem reißerischen Titel "Sitzen geblieben" hat die "Zeit" ein Interview mit Prof. Dr. Manfred Prenzel veröffentlicht:

Zu viele Gymnasien bleiben unter ihren Möglichkeiten. Sie haben sich der veränderten Realität nicht angepasst, sagt der Pädagoge Manfred Prenzel

DIE ZEIT: Das Gymnasium ist hierzulande die beliebteste Schulform. Trotzdem schneiden Gymnasien bei Wettbewerben wie dem Deutschen Schulpreis regelmäßig schwach ab. Woran liegt das?

Manfred Prenzel: Das Leistungsniveau vieler Gymnasien ist sehr hoch, bei Schülerolympiaden oder Jugend forscht kommen die meisten Sieger von Gymnasien. Bei anderen Merkmalen, die eine gute Schule ausmachen, können Gesamt-, Haupt- oder Grundschulen oft mehr vorweisen.

ZEIT: Welche Qualitäten sind das?

Prenzel: Das beginnt mit dem Unterricht, der im Gymnasium häufig noch stark auf den Lehrer zugeschnitten ist. Andere Unterrichtsformen, die stärker die Schüler aktivieren und das selbstständige Lernen anregen, kommen dagegen wenig zum Einsatz. Auch das Schulmanagement, die Zusammenarbeit der Lehrer oder das Schulleben sind an vielen Gymnasien nicht unbedingt preiswürdig.

ausführlich: Sitzen geblieben

Ich frage mich, was ein solches Interview bezwecken soll. Ein schlichter "Bericht" einer Meinung eines Wissenschaftlers, eine ganz persönliche Meinung?
Prof. Dr. Manfred Prenzel ist sicher ein sympathischer Gesprächspartner und seine Meinung liest sich.....hmm....äh.....vielleicht wie ein Plädoyer für die Gesamtschule und die Abschaffung des Gymasiums? Oder vielleicht möchte er darauf hinweisen, dass sich der Unterricht in Gymnasien verbessern sollte?

So ganz genau weiß man das nicht. Er nennt keine Studie, auch nicht die eigenen Studien, keine Belege für seine Annahmen, so dass ich verwirrt zurück bleibe.
Bildquelle Pixelio: (c) schemmi
Ist die Frage nach der Schulform und Schulbildung jetzt eine Frage einer Meinung, oder eine Frage nach den Fakten?

Ich hätte etliche Fragen, welche ich gerne Herrn Prof. Prenzel gestellt hätte:
  • 1. Was versteht man unter "gutem" Unterricht?
  • 2. Worin unterscheidet sich der Unterricht, welcher an Gymnasien und an anderen Schulen gehalten wird?
  • 3. Welche empirischen Belege gibt es dafür?
  • 4. Gibt es den Gymnasiallehrer und die anderen Lehrer, welche sich in ihren Unterrichtsmethoden unterscheiden?
  • 5. Wurden Gymnasiallehrer anders ausgebildet, als andere Lehrer?
  • 6. Welche Gründe führen zu einer vermeintlichen schlechteren Förderung der Schüler auf den Gymnasien?
  • 7. etc. etc.......

Fragen, auf die das Zeit Interview mit Prof. Dr. Prenzel leider die Antworten schuldig bleibt....Ein überflüssiges Interview?

FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN


Freitag, 2. Mai 2008

Wenn simple Korrelationen zu simplen Schlussfolgerungen führen....

...werden Kleinkinder in Spielgruppen untergebracht, auch wenn keine wissenschaftlich empirischen Belege für den Nutzen einer Kleinkindfremdbetreuung sprechen?

Peter Artmann, Diplom Biologe und Journalist im Gesundheitsbereich (http://www.artscience.de/), Blogger vom Medlog bei den Scienceblogs, hat die Empfehlung des BBC-Senders aufgegriffen und die Frage der Kleinkindunterbringung angesprochen: Kleinkinder in Spielgruppen senken ...
und damit wieder die Frage zum Nutzen und der Notwendigkeit eines Krippenbesuches aufgeworfen.

Wie bereits in den Blogbeiträgen:
besprochen, ist der Nutzen einer Fremdunterbringung bei Betrachtung mehrerer Faktoren - keinesfalls empirisch wissenschaftlich belegt. Meines Erachtens sprechen auch medizinische Gründe nicht für eine frühzeitige Krippenversorgung. Denn die Stärkung des Immunsystems lässt sich z.B. auch über einen Hund als Haustier lösen. (siehe: Ein Hund als Haustier schützt vor Allergien....)

Weiter gibt es noch viele offene Fragen, wie:
  • Welche Ursachenfaktoren führen zu Leukämieerkrankungen?
  • Sind die gefundenen Korrelationen durch Zufall erklärbar?
  • Seit wann existiert die Korrelation zwischen Leukämiefällen und Krippenbesuch?
  • Wie haben sich in der ehemaligen DDR, welche vor der Vereinigung geringe Allergikerzahlen verzeichnen konnte, die Leukämieerkrankungen entwickelt?
  • Wie lässt sich das Immunsystem anderweitig stärken?
  • Gibt es ähnliche Effekte, wenn Kinder mit Geschwisterkindern aufwachsen?
  • Reichen regelmässige Kontakte mit anderen Kindern, welche nicht über einen Krippenbesuch stattfinden?
So kann man an dieser Stelle Eltern nur den Rat geben, sich durch solche BBC-Ad-hoc-Nachrichten nicht unter Druck setzen zu lassen und das Für und Wider bzw. die tägliche Zeitdauer eines Krippenbesuches sorgfältig an ihren und den Interessen ihres Kindes/ihrer Kinder abzuwägen. Denn jedes Kind ist anders, jede familiäre Situation hat andere Erfordernisse und Bedürfnisse, so dass nicht generelle, sondern individuelle Lösungen gesucht werden sollten.

Familien, welche - aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten - ihren Kindern einen Krippenbesuch gar nicht ermöglichen können, brauchen sich über nachteilige Wirkungen auf ihre Kinder keine Gedanken machen ;-)

Weiterführende Informationen zu bereits in der Vergangenheit aufgestellten irreführenden "Korrelationsbeziehungen" bei anderen Erkrankungen:
Die Autismus-Ente

Masernimpfung, Fernsehen, Internet: Es gibt kaum eine Innovation des 20. Jahrhunderts, die nicht zu Autismus führen soll. Eine neue Studie untermauert jetzt die These, dass die Zunahme des Autismus eine scheinbare ist. Und ein neuer Taschen-PC hilft denen, die wirklich darunter leiden.

Mit medizinischen Statistiken zur Häufigkeit von Erkrankungen ist es immer so eine Sache. Sie werden meist von Organisation erhoben und publiziert, die ein gewisses Interesse daran haben, "ihre" Erkrankungen im Gespräch zu halten - mit der Konsequenz, dass es kaum Erkrankungen zu geben scheint, deren Häufigkeit nicht entweder dramatisch zunimmt oder auf selbstverständlich hohem Level stabil ist.
weiter hier: Autismus-Epidemie und die Suche nach dem Schuldigen