Mittwoch, 7. Mai 2008

Hilflose Lehrer verbieten den Tausch von EM-Fußballbildern.........

Bildquelle Pixelio: (c) S. Hofschlaeger
Grundschüler im Tauschfieber veranlassen die Schulleitung zu drastischen Maßnahmen. Schulleitung und Eltern der Fellbacher Grundschule sollen sich darüber einig sein, dass ein Tauschverbot eine sinnvolle Lösung sei.
Wer sich dem Verbot widersetzt und dabei erwischt wird, muss die Panini-Sammelbilder abgeben und soll diese erst zum Ende des Schuljahres wieder zurückbekommen.

Bericht im schwarzwaelder-bote.de: Klebe-Verbot für Fellbacher Grundschüler
Bericht im Spiegel online: Schule stoppt Tausch von EM-Fußballbildern

Dieses aktuelle Beispiel verdeutlicht, dass die Lehrerausbildung offenbar nicht ausreichend auf den pädagogischen Alltag vorbereitet. Eigentlich sollte das Fach Pädagogische Psychologie zum Standard einer angemessenen Lehrerausbildung gehören. Dort hätten die Fellbacher Lehrkräfte lernen können, wie mit dem urmenschlichen Phänomen der Sammelleidenschaft angemessen umgegangen werden kann.

Diese Schule steht m.E. stellvertretend für die generelle Hilflosigkeit von Lehrkräften, wenn es um erzieherische Probleme geht, d.h. "Fellbach" ist überall in Deutschland....... Hier sind die verantwortlichen Landesregierungen und jene gefragt, welche eine sinnvolle Lehrerausbildung gewährleisten sollten......

Dass die Eltern diesen Massnahmen zustimmen ist verständlich, denn wenn schon Lehrkräfte solchen normalen - bereits über Generationen hinweg bestehenden - Sammelleidenschaften hilflos gegenüber stehen, was könnten dann pädagogisch nicht ausgebildete Eltern noch zur Lösung des Problems beitragen?

Wäre eine an der Praxis orientierte Ausbildung im Fach Pädagogische Psychologie üblich, wüssten die Lehrkräfte, wie sie das Sammelproblem sinnvoll lösen könnten:

Was ist von der gewählten "Problemlösung" zu erwarten?
Ein Großteil der Schüler wird sich daran halten. Allerdings: ihnen wurde eine Leidenschaft verboten, welche durchaus auch noch von Erwachsenen gepflegt wird. Sie müssen auf ein seit Generationen sehr beliebtes Sammel- und Tauschgeschäft verzichten. Das weckt negative Gefühle. Sie wurden um einen äußerst beliebten Freizeitspass gebracht und es ist nicht zu erwarten, dass die Schüler mit derselben Einsicht, wie ihre Lehrer und Eltern, das Verbot akzeptieren. So entsteht Widerstand, welcher sich an anderer Stelle äußern kann (Unterrichtsstörungen, Lernunlust, Arbeitsverweigerung, Streitigkeiten)

Anstatt dessen findet nun der Tausch, mit allen damit verbundenen Konflikten nach Schulschluss statt. Die daraus entstandenen Probleme tragen die Schüler, spätestens am nächsten Tag dennoch wieder in die Schule hinein....... mit dem einzigen Unterschied, dass für die entstehenden latenten Störungen die Ursache vom Schulhof verbannt worden war....

Was sagt die "graue" Theorie?

Die theoretischen Hintergründe dazu existieren seit 1966. Brehm war der erste, welche die dahinter liegende Reaktanztheorie entwickelt hat. Nachfolgende Studien konnten seine Theorie belegen und erweitern.
Reaktanztheorie: hier

Sozialverhalten fällt nicht vom Himmel, oder ist gar angeboren. Soziales Verhalten wird erlernt (Modelllernen, operante und klassische Konditionierungsvorgänge, Denken und Problemlösen).
Jene Lernmodelle sind Gegenstand der pädagogischen Psychologie und sollten ansich Gegenstand eines jeden Lehramtsstudiums sein.

Welche Handlungsalternative hätte die Schule gehabt?
Die Fallschilderung beschreibt "Ausschreitungen" und nachfolgende Störung des Unterrichts durch die Tauschaktionen. Grundschülern fehlen noch ausreichende soziale Kompetenzen, um ihre Emotionen , welche das beliebte Tauschspiel auslösen kann, vollständig unter Kontrolle zu halten.

An dieser Stelle wäre erzieherische Kompetenz und autoritatives Führungsverhalten gefragt:
Zusammen mit den Schülern könnten die aufgetretenen Probleme besprochen und dann zusammen "Regeln" für einen friedlichen Tausch aufgestellt werden. Für den Anfang würde man in der Pause eine beaufsichtigte Tauschbörse in einer Tauschecke des Schulhofes einrichten. Schüler, welche sich nicht an die Tauschregeln halten, könnten vorläufig vom Tauschgeschäft ausgeschlossen werden.

Was hätten Schüler aus einer solchen Lösung lernen können?
Das soziale Miteinander wird zunächst durch explizite Regeln erlernt. Diese werden im Laufe des Heranwachsens automatisiert. Sie werden zu "impliziten" Regeln.

Die Schüler hätten an diesem Beispiel lernen können, wie über Regeln und Nachdenken, überschäumende Emotionen kontrolliert werden können. Wenn Tauschregeln feststünden, hätten sie an diesem Beispiel erfahren können, dass Regeln das soziale Miteinander überschaubarer, vorhersagbar und leichter machen können.

FAZIT:
Die Schule hat eine Lernmöglichkeit für soziales Lernen durch ein unsinniges Verbot verstreichen lassen. Gleichzeitig gibt sie auch den Eltern ein Beispiel für erzieherische Hilflosigkeit und Inkompetenz. Eigentlich haben die Lehrkräfte nicht das Recht, sich über die angeblich zunehmende erzieherische Inkompetenz von Eltern zu beklagen, wenn sie selbst in so einfachen Situationen keine sinnvollen Alternativen aufzeigen können - trotz einer vermeintlich "pädagogischen" Ausbildung.

Besonders traurig ist, dass das Motto der Schule "Team" heißt:
Team : Täglich engagiert aktiv miteinander
Die gefundene Lösung ist jedenfalls sehr weit weg davon. Es sei denn mit "Team" sei ein "zusammen" mit den Eltern "gegen" die Kinder gemeint...... und wo hier das engagierte aktive miteinander stattfindet? ...wer weiß?

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