Dienstag, 18. März 2008

Studie von Prof. Dr. Fend belegt, dass der Schulerfolg von der Schulform unabhängig ist

Vorschaubild für LogoNPmini.jpgDie bildungspolitische Debatte der vergangenen Jahre forderte immer wieder die Einrichtung einer einzigen Schulform, nämlich der Gesamtschule, um benachteiligten Gruppen eine angeblich bessere Bildung zu ermöglichen. Festgemacht wurde diese Forderung an den praktizierten "Gesamtschulformen" einiger PISA-Siegerländer. Dass diese Erklärung eher ideologischer Natur war und mit den tatsächlichen Ursachen des Bildungserfolges der PISA-Siegerländer in keinerlei Zusammenhang stand hat Prof. Dr. Fend nun zu seiner eigenen Überraschung feststellen müssen:

Die Zeit berichtet ausführlich: hier

Wichtigste Schlussfolgerung:

"Solange die Schule intern agieren kann, also die Kinder und Jugendlichen beisammen hat und sie nach Leistungen gruppiert, kann sie die soziale Selektivität durchaus reduzieren.Wenn es um die weiteren Bildungsstufen geht, um die risikobehafteten Entscheidungen beim Schulabschluss, bei der Ausbildung und bei den Berufslaufbahnen, dann verliert sich dieser schulische Einfluss, und die familiären Ressourcen in der Gestaltung der Entscheidungen treten in den Vordergrund."

Zwei Faktoren (=> Thema meines nächsten Beitrages!) scheinen also - wenn es um Schulerfolg geht - im Vordergrund zu stehen:

  • 1. Die Ressourcen in der Familie
  • 2. Die Förderqualität in der Schule

Die jüngste Pisastudie zeigt, dass die Bildungspolitiker offenbar ihre "Hausaufgaben" immer noch nicht gemacht haben. Denn nach wie vor werden Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen Familien benachteiligt. Allerdings ist dies - angesichts der ständigen Einsparungen in den Schulen - kein Wunder. Die Lehrerstunden wurden erhöht, soziale u. individuelle Probleme, welche die Schüler bewegen, haben im Schulalltag keine Zeit "bearbeitet" zu werden und sie können sich negativ auf den Lern- und Leistungswillen auswirken. Es gibt weder eine Förderung in vielen Familien, noch eine tatsächliche Förderung in der Schule.... So erstaunt es nicht, dass Schulform und Schulerfolg nicht miteinander zusammen hängen. Schüler sind Individuen und ihr schulisches Engagement, sowie ihre Lernmöglichkeiten hängen zunächst direkt von den Angeboten (gute Lehrer, d.h. guter Unterricht, gute Lernmaterialien, gutes Klassenklima, gutes Schulklima) ab. Es ist zunächst also logisch, dass die Schulform erstmal zweitrangig ist. Die Pisa-Siegerländer zeigen insoweit, dass die Art des Unterrichts für den Schulerfolg das ausschlaggebende Merkmal ist. Ausführlich: hier

Mein FAZIT:

Die Frage der Schulform scheint für die allgemeine Betrachtung des Schulerfolges keine Rolle zu spielen. Die mehrgliedrige Schulform birgt Vor- und Nachteile in sich, welche allerdings nicht mit dem "Merkmal" - Schulerfolg - zu messen ist. Gemeint wären hier z.B. Nachteile für Schüler, welche durch ein nicht unbedingt "diagnostisch fundiertes" Selektionsverfahren frühzeitig einer bestimmten Schulform zugewiesen werden. Solche "Einzelschicksale" können Studien nicht messen. Ein möglicher Vorteil einer gezielten Förderung - dank mehrgliedrigem Schulsystem - verliert sich oft aufgrund bildungspolitischer "Sparmaßnahmen".

Besonderheit am Rande:

Prof. Fend, welcher die besagte Studie durchgeführt hat, war bislang ein engagierter Verfechter für ein eingliedriges Schulsystem. Bereits in den 70ern ist er mit seinen Gesamtschulstudien bekannt geworden. Die damalige Organisationsform der Gesamtschule sorgte tatsächlich in einigen Punkten für eine Überlegenheit gegenüber dem dreigl. Schulsystem. Die verschiedenen politischen Richtungen haben sich bezüglich des Themas, welche Schulform die "vorhandene" Intelligenz der Schüler am besten fördern könne, wie bekannt, ja unterschiedlich festgelegt und jenseits vorhandener Forschungsergebnisse das Thema "ideologisiert".

Die jüngste Entwicklung im Hauptschulbereich (drastische Reduzierung der Schülerzahlen) hätte man auch als Chance nutzen können, diese Schülergruppe besonders intensiv zu fördern. Anstatt dessen werden Lehrkräfte abgezogen und eine Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen wird - rein aus Kostengründen - der speziellen Förderung vorgezogen. Stattdessen: Wenn es um Fragen der Schulform geht, dann dreht sich alles nur um das liebe Geld. Hauptschulen werden zusammen mit Realschulen in Sekundarschulen überführt. Aber auch hier bleibt dann die notwendige Förderung schwächerer Schüler auf der Strecke.

Die Frage der Schulformen in der Schulpolitik wird leider ideologiebelastet diskutiert und nicht unter der Fragestellung betrachtet, was unseren Kindern und damit der Zukunft unseres Landes am meisten nützt. Die an der Oberfläche geführte Debatte führt so vielmehr dazu, dass die eigentlichen Probleme aus dem Blick geraten. Dazu mehr im 2.Teil



Samstag, 15. März 2008

Bloghinweis: "Schüler lernen Gentechnik lieben" im Fischblog

Lars Fischer beschreibt in seinem Fischblog wie der Hamburger Bildungsserver über Gentechnik informiert. Äußerst beunruhigend ist dabei, wie Lehrer und Schüler, vermutlich ohne es zu wissen, vor den Karren der Gentechnik-Industrie gespannt werden.

Ausführlich:
Hamburger Marketing-Server - wie Hamburger Schüler lernen, die Gentechnik zu lieben

Mittwoch, 5. März 2008

Recherche ist Luxus! Nachdenken auch? Spiegel-Titelstory: Wieviel Mutter braucht das Kind? (3)

ad 2.) Fragwürdige Aussagen der Wissenschaftler in der Spiegel-Titelstory: Die "verwendeten" Aussagen von Frau Prof. Dr. Ahnert:

Zwischenzeitlich ist die Titelstory bald schon wieder Vergangenheit, allerdings wird so manche darin enthaltene Feststellung dennoch in den Köpfen von Eltern und ErzieherInnen nachwirken........

Heute möchte ich insbesondere auf die Verfälschung entwicklungspsychologischer Tatsachen durch die verwendeten Zitate von Frau Prof. Dr. Ahnert eingehen: Sie hat für den NRW-Landtag zu diesem Thema eine Expertise verfasst. Allerdings:

Die von Prof. Dr. Ahnert (insbesondere Expertise S. 7) für den NRW-Landtag abgefasste Expertise liest sich hier weitaus differenzierter, als die von ihr zitierten "verallgemeinerten" Aussagen in der Spiegel-Titelstory:

So weist sie zu Recht darauf hin, dass sichere Bindungen eine wichtige Grundlage für die spätere psychische Widerstandsfähigkeit (sog. Resilienz) darstellt : In der Entwicklungspsychologie ist unbestritten, dass eine sichere „mütterliche“ Bindung (womit auch „mütterlich“ sorgende Väter oder ggf. häufig anwesende „mütterliche“ Betreuungspersonen gemeint sind) für die Entwicklung zur Bewältigung von Ängsten und Frustrationen notwendig sind. Dieses so genannte „Urvertrauen“ ist eine wichtige „Entwicklungsbasis“, welche durch die warmherzige Fürsorge erwachsener Bindungspersonen wachsen kann.

Jedoch tendiert Frau Ahnert in ihrer Expertise zu der These, dass die "mutterlastige" Betreuung eine entwicklungspsychopathalogische Entwicklung fördere (Zach 1999). Auffällig bei solchen Thesen ist, dass dafür nur ein Autor herangezogen wird und diese These von seriösen psychologischen Studien nicht belegt wird.

Denn:

Diese These steht ja auch im Widerspruch zur sog. Entwicklung der Resilienz. Der Hinweis in Frau Ahnert`s Expertise auf eine Förderung einer entwicklungspsychopathalogischen Entwicklung, wenn die Betreuung „mutterlastig“ sei, findet ausschließlich in Fällen einer „Überbehütung“ und starken „Verwöhnung“ eine Bestätigung in wissenschaftlichen Studien. Die Behauptung,bzw. der Eindruck welcher hier erweckt wird, nämlich, dass generell eine „mutterlastige“ Betreuung negative Entwicklungen des Kindes fördere ist also so gesehen nicht korrekt.

Frau Ahnert plädiert in ihrer Expertise für Kita-Besuche ab 1,5 Jahren, wobei der Leser das Augenmerk auf die zahlreichen von ihr vorgetragenen expliziten und impliziten Hinweise für die Bedeutung der Betreuungsqualität in Kindergärten für Noch-Babys und Kleinkinder richten sollte!

FAZIT:
Die warmherzige, nicht überbehütende mütterliche Betreuung durch eine nahestehende Bindungsperson ist für ein Kleinkind nach wie vor die beste Entwicklungsvoraussetzung.
Wenn diese Entwicklungsvoraussetzung allerdings im Elternhaus des Kindes nicht geleistet werden kann, ist eine frühe, ergänzende "mütterliche" Fremdbetreuung solcher Kinder in öffentlichen Einrichtungen auf alle Fälle zu empfehlen. Dieser Aspekt ist durch entsprechende Studien auch wissenschaftlich belegt worden.

Montag, 3. März 2008

Undurchsichtige Bertelsmann-Studie zum angeblichen Nutzen des Krippenbesuches

Die Bertelsmann Stiftung behauptet aktuell, man habe - entgegen bisheriger mehrfacher! Forschungsergebnisse - nun einen direkten Zusammenhang zwischen Krippenbesuch und Schulerfolg herstellen können:

Allerdings bleiben die Hintergründe in dem vorgelegten "Forschungsbericht" verborgen (Bertelsmann-Forschungsbericht: hier):

16% der Kinder (Jahrgänge 1990-1995) haben lt. Studie überhaupt eine Kinderkrippe besucht. Ungefähr die Hälfte davon ab dem 1., die andere Hälfte ab dem zweiten Lebensjahr.
Nun wird gemessen, welcher Prozentsatz dieser Jahrgangsgruppen das Gymnasium besucht(=ca. 40%).
Unklar bleibt, wie nun in der Studie jene 16% Krippenkinder auf den Schulerfolg der 40% Gymnasiasten gerechnet wird?


Ebenso bleibt unklar, welche Bezugsgrößen verwendet wurden:
Da nur Kinder eine Kindergrippe besuchen können, welche in der Regel Eltern mit ausreichendem Einkommen haben (z.B. Akademiker), könnte das Ergebnis auch auf ein Artefakt zurückzuführen sein.
Da davon ausgegangen wird, dass Intelligenz mindestens zu 50% genetisch bedingt ist und Kinder in Akademikerhaushalten sowieso besser gefördert werden, könnte das Ergebnis schlicht auch nur belegen, dass "Akademikerkinder" häufiger das Gymnasium besuchen.....

Ziel der Studie soll die Berechnung eines volkswirtschaftlichen Nutzens eines Krippenbesuches sein.

Für Außenstehende wird leider nicht erkenntlich, wie genau die Studienergebnisse erzielt wurden.

Da bisherige Studien - ausschließlich für Kinder aus sozial schwachen Familien einen Zusammenhang zwischen Schulerfolg und Kindergartenbesuch! belegen konnten - bleibt abzuwarten, auf welche Art und Weise die Verantwortlichen hier zu den Studienergebnissen gekommen sind.....

Einige Hinweise finden sich z.B. in diesem Vortrag von Prof. Dr. Dollase (Universität Bielefeld)

Ganzheitliche Erziehung im Kindergarten Vom Langzeitschaden einer Früheinschulung

sowie Hintergründe aus pädagogisch-psychologischer Sicht im Vortrag von Prof. Dr. Dollase:
Ganzheitliche Erziehung im Kindergarten - vom Langzeitschaden einer frühen Verschulung

Samstag, 1. März 2008

Recherche ist Luxus! Nachdenken auch? Das Einzelfallbeispiel "dänischer Kindergarten" (2)

*pixelio Claudia35
Wie versprochen widme ich mich in meinem Beiträgen den einzelnen Punkten in der Spiegel-Titelstory:
Heute habe ich mir ein im Essay geschildertes Einzelfallbeispiel mit "Vorbildcharakter" (als Untermauerung der Spiegel-Titelstory-Thesen) vorgenommen:
"Ein Blick ins Ausland hilft, die Sorgen zu zerstreuen. Bei den Nachbarn der Deutschen, in Dänemark etwa oder in Frankreich, grassiert keineswegs die innere Zersetzung, obwohl dort seit langem die Betreuung kleiner Kinder außerhalb der Kernfamilie nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich begrüßt wird. Den Eltern geht es gut damit - und den Kleinen augenscheinlich auch." (Spiegel Nr.9/2008, S. 43)

Nach dieser Feststellung folgt in der Titelstory der "Heile-Welt-Bericht" über den Kindergartenbesuch der drei Kinder (5,3 und 1 Jahr alt)in einem dänischen Kindergarten.

Was dabei unterschlagen wird?
Dänische Kindergärten arbeiten anders als deutsche und sie verfolgen andere Erziehungsziele:

1. Verhältnis Kinder - Erzieher
bei 1-3-Jährigen sind es im allerhöchsten Fall 6 Kinder, welche von einem Erzieher betreut werden.
bei den 3-6 -Jährigen sind es maximal 10 Kinder

2. Die Art der Betreuung
Dänische Erzieher sehen sich als Betreuungs- und Begleitpersonen ihrer Schützlinge. Sie arbeiten frei von irgendwelchen "Bildungserwartungen" und überzogenen Bürokratien. Sie haben Zeit sich an den Wünschen, Bedürfnissen und Nöten ihrer Kleinen zu orientieren, d.h. im dänischen Kindergarten werden die Kinder von den Erziehern eher "bemuttert".

3. Die Erziehungsvorstellungen
In Dänemark sind die Kindergärten frei in der Gestaltung. Sie entwerfen jeweils ihre eigenen Ziele. Im Vordergrund steht die enge "Zusammenarbeit" und der enge Austausch mit dem Elternhaus und den Kindern. Damit sind Kindergärten dort eher "erweiterte familiäre Verhältnisse".

4. Das Beispiel dennoch nur eines unter vielen
Auch in Dänemark gibt es Kitas in völlig unterschiedlicher Qualität

5. Veränderungen seit "PISA" auch in Dänemark
Da in Dänemark, ebenso wie in anderen Ländern seit PISA eine "Bildungsaufbruchstimmung" existiert, bleibt auch meine Beschreibung - ebenso wie die Schilderung im Spiegel nur eine Momentaufnahme von eventuell zwischenzeitlich nur noch sehr wenigen Kindergärten......

Ein Grund mehr, warum solche Momentaufnahmen nicht zur Untermauerung irgendwelcher Erziehungshypothesen geeignet sind......